Golfstrom: Die globale Wärmepumpe ist in Gefahr

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Geschrieben von GEP

28. Oktober 2021

Die umfangreichste Meeresströmung auf dem Planeten wird zunehmend Opfer des menschengemachten Klimawandels. Damit ist auch das Wettersystem der nördlichen Halbkugel, das bisher für unser gemäßigtes Klima verantwortlich war, dramatischen Änderungen ausgesetzt. Die Auswirkungen auf die Zivilisation sind noch unabsehbar.

Durchschnittlich fünf bis zehn Grad Celsius kälter wäre es auf der nördlichen Halbkugel würde die gewaltige Meeresströmung nicht pausenlos ungeheure Mengen warmer Luft in den nordatlantischen Raum pumpen. Doch der Antrieb der globalen Wärmepumpe stottert. Bereits heute ist eine deutliche Verlangsamung des Stroms zu beobachten. Und die Tendenz nach unten hält an – nicht zuletzt verursacht durch die Auswirkungen des Klimawandels.

So funktioniert der Golfstrom

Global gesehen ist der Golfstrom Bestandteil eines größeren Strömungssystems. Er besteht aus einem Strömungsband, das im Atlantik westlich von Afrika entsteht und sich in Richtung Golf von Mexiko fortsetzt. In diesem Abschnitt nimmt der Strom große Mengen an Wärme auf.

Auf seinem weiteren Weg vereinigt er sich mit dem Floridastrom und dem Bahamastrom. Erst dieses gemeinsame Strömungsband bildet den eigentlichen Golfstrom.

Auf seinem weiteren Weg fließt der Golfstrom an der Ostküste Nordamerikas entlang, um dann am Cape Hatteras in North Carolina nach Nordosten abzubiegen. Gleichzeitig verringert sich seine Breite von rund 200 auf etwa 50 Kilometer.

Trotz der verringerten Breite ist der Golfstrom auch in diesem Gebiet noch eine gewaltige Wärmepumpe. Bei einer Fließgeschwindigkeit von etwa zwei Metern pro Sekunde befördert der Strom bis zu 100 Millionen Kubikmeter Meerwasser nach Europa.

Nach seiner Ankunft westlich der iberischen Halbinsel spaltet sich der Strom in drei Adern auf. Eine Teilstrom bewegt sich nach Osten und wird zum Kanarenstrom. Ein anderer Teil fließt in Richtung Süden in die Sargassosee im Osten von Florida. Von Bedeutung für das Klima in Europa ist der dritte Teilstrom – er bewegt sich als Nordatlantischer Strom in Richtung Nordwesteuropa.

Das, was den Golfstrom in Bewegung hält, folgt nach dem Passieren des europäischen Festlands. Auf seinem weiteren Weg in Richtung Arktis kühlt das Wasser stark ab, nicht zuletzt auch durch den höheren Salzgehalt, der auf die Verdunstung zurückgeht. Die Folge ist das rasche Absinken des Wassers auf den Meeresgrund. Und das wiederum erzeugt den Sog, der weiteres erwärmtes Wasser aus dem Golf von Mexiko nach Europa zieht.

Die Wassermassen, die zwischen Grönland und Spitzbergen in die Tiefe fallen, sind gewaltig. Für das menschliche Auge unsichtbar, bilden sie den größten Wasserfall auf dem Globus. Das abgekühlte Wasser stürzt in Chimneys in die Tiefe – rund 15 Kilometer messende Säulen – und transportieren auf diese Weise etwa 17 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde in tiefere Meeresschichten bei etwa 4.000 Meter.

Von dort aus gelangt das abgekühlte Wasser zurück in den Bereich westlich von Afrika. Dort erwärmt sich das Wasser und steigt nach oben, bereit für den Eintritt in den Golfstrom und die Reise nach Europa.

Der Klimawandel bremst den Golfstrom

Das ausgeglichene Klima in Europa, für das vor allem der Golfstrom verantwortlich ist, könnte durch die Auswirkungen der globalen Erwärmung aus dem Gleichgewicht geraten. Vor allem das Abschmelzen der Polkappen könnte das empfindliche Gleichgewicht stören – mit unabsehbaren Folgen.

Mischt sich das Meerwasser mit geschmolzenem Eis, hat das eine Verringerung des Salzgehalts zur Folge. Damit sinkt das Gewicht des abgekühlten Wassers und damit die Fallgeschwindigkeit in den Chimneys. Die Folge wäre eine verringerte Sogwirkung und damit eine Verlangsamung des Golfstroms.

Ein langsamer fließender Golfstrom bringt geringere Menge warmen Wassers nach Europa, was sich unmittelbar auf die klimatischen Bedingungen auswirkt. Die unmittelbare Folge wäre eine merkliche Abkühlung im mitteleuropäischen Raum, begleitet von hier bisher nicht gekannten Wetterphänomenen wie Sturmfluten und Tornados. Gleichzeitig kommt es zu einer Erwärmung des Wassers im Golfstrom, da es durch die geringere Geschwindigkeit weniger Wärme an die Umgebung abgeben kann.

Die Auswirkungen sind schwer vorhersehbar

Erste Effekte sind bereits heute messbar. Zahlreiche ozeanografische Untersuchungen belegen, dass die Atlantische Meridionale Umwälzströmung bereits spürbar zurückgegangen ist. Auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt bereits seit geraumer Zeit davor, das das gesamte System um den Golfstrom kippen könnte.

Im schlimmsten Fall könnte es zu einem vollständigen Erliegen des Golfstroms kommen. Welche klimatischen Bedingungen dann auf der Nordhalbkugel eintreten, lässt sich auch durch umfangreiche Rechenmodelle nicht endgültig vorhersagen. Sicher ist nur: Ohne Golfstrom wird es zum Ende der Umwelt kommen, wie wir sie heute kennen.

Die Auswertung von Beobachtungsdaten und Modellsimulationen aus einem Zeitraum zwischen 1900 und 2008 belegen eine Erwärmung des Golfstroms in den letzten hundert Jahren um 1,2 Grad, im Atlantik um 0,4 Grad. Der Vermutung, es handele sich dabei um ein ausschließlich natürliches Phänomen, widersprechen die Detaildaten: Alleine seit den 1950er-Jahren hat sich die Strömungsgeschwindigkeit im Atlantik um rund 15 Prozent verringert.

Besonders alarmierend die das Ergebnis einer Studie vom Beginn dieses Jahres: Die aktuellen Werte des Golfstroms sind die schwächsten seit mehr als tausend Jahren. Das deutet mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen massiven Einfluss der menschengemachten Klimaerwärmung auf den derzeitigen Zustand des Golfstroms hin.

Zwei Fehlentwicklungen, die sich gegenseitig aufheben

Einige Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die Auswirkungen eines eventuellen Erliegens des Golfstroms durch die Folgen der globalen Erwärmung ausgeglichen werden. Mit anderen Worten: Der Abkühlung durch den Wegfall der globalen Wärmepumpe steht die Erwärmung durch den erhöhten Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre entgegen.

Diese ungewöhnliche Denkweise beschreibt die Strategie, den Teufel mit dem Beelzebuben auszutreiben. Statt einer Fehlentwicklung eine andere entgegenzuhalten, wäre eine auf die Ursachen gerichtete Strategie vorzuziehen. Die CO2-Belastung der Atmosphäre aufzuhalten, würde beide Probleme an der Wurzel anpacken: die globale Erwärmung und das Erliegen des Golfstroms gleichermaßen.

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